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02. Mai 2023
Autor: Dr. Andreas Möhlenkamp
KG Berlin versagt dem Insolvenzverwalter, den Ersatzanspruch zur Masse zu ziehen - Urt. v. 15.11.2022, 21 U 55/21
Steuerberater kann eine Pflicht treffen, ihre Mandanten auf Insolvenzgründe hinzuweisen (vgl. § 102 StaRUG sowie bereits Möhlenkamp, DStR 2017, 987 ff. m.w.N.). Stellt der Mandant einen Insolvenzantrag aufgrund der pflichtwidrig fehlenden oder unzutreffenden Hinweise des Steuerberaters zu spät, dann haftet der Steuerberater den Gläubigern, deren (Quoten-) Schaden durch den verspäteten Antrag vertieft wurde und solchen, die im Vertrauen auf die Bonität der Schuldnerin noch nach Eintritt der Insolvenzreife Geschäfte eingegangen sind (sog. „Neugläubiger“).
Von der Art des Schadens zu unterscheiden ist die Frage, wer den Schaden geltend machen kann bzw. wer den Haftungsanspruch einziehen darf. Der IX. Senat des BGH überlässt die Aufgabe dem Insolvenzverwalter, der den Anspruch gegen den Steuerberater zur Insolvenzmasse ziehen können soll, BGH, Urt. v. 6.6.2013, IX ZR 204/12, a.a.O. (Steuerberater). Dem ist das KG, Urt. v. 15.11.2022, 21 U 55/21, entgegengetreten. Das KG schließt sich dem II. Senat des BGH, Urt. v. 30.03.1998, II ZR 146/96 = BGHZ 138, 211 (Geschäftsführer) an, sowie dem OLG Stuttgart, Urt. v. 27.10.2020, 12 U 82/20. Danach sollen die Neugläubiger ausschließlich selbst befugt sein, den Insolvenzverschleppungsschaden gegenüber dem Steuerberater geltend zu machen. Das KG begründet dieses Ergebnis damit, dass mit dem Anspruch, den der Insolvenzverwalter einziehe, die Masse bereichert werde und damit auch die Altgläubiger, während der Schaden ausschließlich den Neugläubigern entstanden sei und von diesen geltend zu machen sei. Davon machen Neugläubiger in jüngerer Zeit zunehmend und mit Erfolg Gebrauch (vgl. Pohlmann, in: Schmidt (Hrsg.), InsO (Hamb. Kommentar), 9. Aufl. 2022, § 92 Rz. 53).
Das Urteil des KG ist anspruchsvoll und unterscheidet wohl nicht ausreichend. Der sog. „Insolvenzverschleppungsschaden“, den alle Gläubiger erlitten haben und den der Insolvenzverwalter für alle Gläubiger geltend macht, § 92 InsO, ergibt sich aus einem Vergleich zwischen der Vermögenslage zum Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenzreife mit der Vermögenslage zu dem Zeitpunkt, zu dem der Insolvenzantrag tatsächlich gestellt wurde (sog. „Differenzhypothese“, vgl. BGH, Urt. v. 6.6.2013 - IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332). Der sog. „Kontrahierungsschaden“ entsteht dagegen dadurch, dass der Neugläubiger den Vertrag nach Eintritt der Insolvenzreife überhaupt abgeschlossen hat und richtet sich auf das sog. "negative Interesse". Beides kann sich überschneiden. Ungelöst sind die Fragen, die sich daraus ergeben, dass die Ansprüche nicht deckungsgleich sind (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2020, IX ZR 21/19 = ZInsO 2021, 246 ff.; K. Schmidt, InsO, 20. Aufl. 2023, § 92 Rz. 16 ff.) und dass sie gegenüber verschiedenen Schuldnern bestehen können, etwa gegenüber dem Steuerberater und sonstigen Beratern einerseits und gegenüber den Geschäftsführern andererseits.
Der Steuerberater sieht sich im Zweifel mehreren ähnlichen Ansprüchen ausgesetzt, nämlich solchen des Insolvenzverwalters, der die Masse des Mandanten verwaltet, sowie der Gläubiger des Mandanten als Neugläubiger. Besser ist es, dass sich der Steuerberater von Anfang an einer Haftung durch eine ordnungsgemäße Beurteilung der Insolvenzreife entzieht.