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22. Juni 2018
Autor: Dr. Andreas Möhlenkamp
BGH stärkt das Haftungsregime in der eigenverwaltenden Sanierung zugunsten der Gläubiger
Ein Geschäftsführer, der ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung führen darf, haftet den Beteiligten wie ein Insolvenzverwalter, nämlich analog §§ 60, 61 InsO. Das hat der BGH in einem Fall entschieden, in dem ein eigens für die Sanierung eingestellter Sanierungsgeschäftsführer (sog. Chief Restructuring Officer, CRO) im laufenden Eigenverwaltungsverfahren Geschäfte getätigt hatte, die aufgrund einer Folgeinsolvenz unbezahlt geblieben sind, vgl. BGH, Urt. v. 26.04.2018, AZ. IX ZR 238/17.
Der Sachverhält ist für Eigenverwaltungen typisch. Die Rechtsfragen, die sich daraus ergeben, waren dagegen ungelöst. Ein Unternehmen, das sich im Wege der Eigenverwaltung sanieren will, beruft einen externen Sanierungs-experten in die Geschäftsführung. Später scheitert die Sanierung. Wer haftet?
Grundsätzlich, nämlich außerhalb der Insolvenz, haftet der Geschäftsführer nur der juristischen Person, deren Organ er ist, also im sog. Innenverhältnis. Denkbar sind Verletzungen der Pflichten aus §§ 43, 64 GmbHG. Im sog. Außenverhältnis, also direkt gegenüber den Gläubigern der GmbH, haftet der Geschäftsführer nicht. Die juristische Person und ihr Organ sind strikt zu trennen. Nur ausnahmsweise können Dritte den Geschäftsführer unmittelbar in Anspruch nehmen, nämlich wenn dieser ein persönliches Interesse an dem Geschäft hatte oder wenn er ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat. Die Hürden sind hoch.
In der Eigenverwaltung, so der BGH, ist das anders. Zwar ist auch in der Eigen-verwaltung nicht der Geschäftsführer der eigenverwaltende Schuldner, son-dern die juristische Person, etwa die GmbH. Aber der Geschäftsführer haftet Dritten wie ein Insolvenzverwalter. Das ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO, der auf die allgemeinen Vorschriften und damit auch auf §§ 60, 61 InsO verweist. Denn der Verweis treffe nur den eigenverwal-tenden Schuldner, der ja gerade von seinem Organ zu unterscheiden sei. Die Haftungsregeln der §§ 60, 61 InsO seien aber analog anzuwenden. Insofern bestehe eine planwidrige Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe eine insolvenzverwalterähnliche Haftung des eigenverwaltenden Schuldners regeln wollen, habe sich aber nicht hinreichend mit den Besonderheiten der Organhaftung in der Eigenverwaltung auseinandergesetzt. Erkennbar sei gewollt, dass „bei juristischen Personen die Geschäftsleitung eigentlicher Adressat der Eigenverwaltung“ sei. Weder die reine Binnenhaftung noch ein Rückgriff auf die Geschäftsführer seien geeignet, die Interessen der Beteiligten in der Eigenverwaltung angemessen zu schützen. Unzureichend seien auch andere Rechtsfiguren, wie „Verschulden bei Vertragserfüllung“ oder „Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter“. Es wäre „ungereimt“, den Aufsicht führenden Sachwalter haften zu lassen, die von ihm kontrollierten Geschäftsleiter als Entscheidungsträger aber zu entlasten.
Der BGH berücksichtigt ausdrücklich auch, „dass vielfach die vor Antrag-stellung tätigen und nunmehr die Eigenverwaltung betreibenden Geschäfts-führer der Gesellschaft die unternehmerische Verantwortung dafür tragen, dass es zur Insolvenz gekommen ist.“ Der Vertrauensvorschuss, der den Geschäftsführern gleichwohl gewährt werde, rechtfertige eine verschärfte Haftung auch gegenüber Dritten. Auch bedürfe es einer solchen Haftung, um eine erhöhte Risikobereitschaft zu zügeln und einer Sanierung um jeden Preis entgegenzuwirken.
Der BGH findet in seiner Entscheidung erfreulich klare Worte zum Haftungs-regime in der Eigenverwaltung. Die strenge Haftung ist angemessen, weil die „letzte Möglichkeit einer Sanierung“ nur mit besonderer Sorgfalt zugelassen werden darf. Zu groß ist die Gefahr, dass nach Insolvenzeröffnung auch die letzten noch vorhandenen Massegegenstände der Sanierung erfolglos ge-opfert werden. Wichtig sind eine exakte Planung in Ansehung der insolvenz-rechtlichen Besonderheiten, insbesondere mit Blick auf die Gläubiger, seien sie Massegläubiger, gesicherte oder ungesicherte Insolvenzgläubiger.
Die Konsequenzen sind erheblich. Nicht nur rechtsdogmatisch, weil das Konzept der Binnenhaftung der Organmitglieder aufgegeben wird (vgl. dazu Thole, EWiR 2018, 339, 340). Konsequent wäre es, wenn Eigenverwaltungs-verfahren in Zukunft ganz generell nur noch eröffnet werden, wenn Restrukturierungsgeschäftsführer als Organe eingesetzt werden, die den Gläubigern voll haften. Für kleine und mittelgroße Unternehmen ist es umso wichtiger, kompetente und erfahrene Berater zu finden, die zu angemessenen Honoraren bereit sind, die Sanierung zum Erfolg zu führen und die damit verbundenen erheblichen Haftungsgefahren zu übernehmen.
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